Der Gang nach Singapur ist für ein mittelständiges Unternehmen ein extrem sorgfältig zu planender Schritt. Es gibt nicht wenige Unternehmen, die nach kurzer Zeit wieder enttäuscht das Land verlassen mussten. Nicht selten haben diese Unternehmen viel Zeit, Aufwand und vor allem Geld während dieser Phase verloren, was in einigen Fällen sogar für das Stammhaus eine finanzielle Bedrohung darstellte. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch die erfolgreichen Mittelständler, die mit Geduld, umsichtiger Planung und einem effizient verwendeten Budget sehr erfolgreich in Singapur und Südostasien unterwegs sind.
Frage ist nur, was diese Unternehmen von denen unterscheidet, die nicht erfolgreich waren oder sind? In einigen Fällen ist es schlichtweg unglaublich, aber Entscheidungen für den Standort Singapur beruhen teilweise auf „Tatsachen“ wie z.B. „weil alle dort sind, die Menschen reich sind, weil die Steuern so gering sind und die Infrastruktur perfekt ist“. Das mögen durchaus Gründe sein, den Schritt in den Stadtstaat zu wagen, aber um eine professionelle Planung handelt es sich hier ganz sicherlich nicht.
Eine nicht zu unterschätzende Erfolgskomponente ist die sehr einfache und trotzdem besonders effektive Beantwortung einiger Grundfragen. Die erfolgreichen mittelständigen Unternehmen und Start-Ups haben sich um die Beantwortung speziell dieser Fragestellungen von Beginn an sehr intensiv bemüht.
Zum Brainstorming bzw. was vor dem Markteintritt unbedingt zu beachten ist:
a) Wie groß ist das Marktpotenzial? Singapur hat ca. 6 Millionen Einwohner, die Millionärsdichte ist erheblich und viele internationale Unternehmen sind bereits seit langer Zeit vor Ort. Das bedeutet allerdings nicht automatisch, dass der Erfolg bzw. das „Geld auf der Straße liegt“. Im Gegenteil, letztendlich hat Singapur in vielen Fällen nur ein begrenztes Marktpotenzial. Viel interessanter sind die Nachbarstaaten, von denen viele erst jetzt signifikante wirtschaftliche Fortschritte machen – diese Länder sollte man unbedingt mit ins Auge fassen. Allerdings ACHTUNG, man darf sich bei dieser Fragestellung nicht in die Irre leiten lassen. Man könnte nun auf den Gedanken kommen und Märkte wie z.B. die Philippinen, Malaysia oder Indonesien direkt zu bearbeiten bzw. dort direkt zu investieren. Davon ist abzuraten, speziell wenn noch keine Asien-Erfahrung vorhanden ist. Zwar sind die genannten Staaten alle wesentlich günstiger als Singapur, aber die „Startkosten“ werden sehr häufig aufgrund fehlender Transparenz, Korruption, schlechter Infrastruktur etc. um ein Vielfaches höher sein. Nicht selten kommt es gar nicht bis zum eigentlichen Start und das Geld ist verloren, dann hat sich die vermeintlich günstigere Alternative in ein „Fass ohne Boden“ und eine sehr große Enttäuschung verwandelt!
„Bei aller Euphorie, Singapur ist ein optimaler Business-Standort, aber einige Fragen sollte man sich vorab unbedingt stellen – beginnen Sie mit einem Brainstorming”
b) Gibt es unser Produkt, unseren Service bereits – gibt es Wettbewerb? Die oben genannten Argumente haben über die letzten Jahrzehnte eine Sogwirkung entstehen lassen – es gibt nichts, was es nicht in Singapur gibt, häufig ist es nur teurer. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass fast jedes Unternehmen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht alleine am Markt agieren wird. Es ist unbedingt vorab zu prüfen, wer bzw. was vor Ort bereits vorhanden ist und das Preisniveau des geplanten Sortiments bzw. der Servicestruktur sollte sehr genau geplant werden.
c) Soll auch Südostasien von Singapur aus betreut werden? Sollte dieser Punkt noch nicht berücksichtigt worden sein, so ist es nun definitiv an der Zeit sich hierüber Gedanken zu machen. Wie in a) bereits beschrieben, ist der geographische Vorteil von Singapur ein klarer Standortvorteil. Flüge von Singapur nach Kuala Lumpur, Bangkok, Jakarta, Manila, Hongkong – um nur einige zu nennen – sind in ca. ein bis drei Flugstunden zu erreichen, viele diese Ziele werden mehrmals täglich angeflogen. Dort sollte jede “Singapur-Strategie” langfristig hingehen, dieser Standortvorteil muss unbedingt genutzt werden! Übrigens winken unter Umständen steuerliche Vorteile in Singapur, falls ein sogenannter „Regional-Hub-Status“ besteht.
d) Habe ich bereits einen erfahrenen Mitarbeiter, der das Projekt betreut? Mittelständige Unternehmen müssen ganz besonders auf Ihr Budget und auf ihre personellen Kapazitäten achten. Einen kompetenten Mitarbeiter zu finden, der zusätzlich verlässlich, nicht zu teuer und außerdem offen für den Schritt nach Asien ist, kann man auch als „Nadel im Heuhaufen“ beschreiben, das können selbst viele große internationale Konzerne bestätigen. Wie auch immer, diese Hürde ist zu nehmen, man benötigt unbedingt jemanden vor Ort, der verlässlich ist und über ein gewisses Verkaufs- und Kontaktpotenzial verfügt, eine Charaktereigenschaft, die im folgenden Punkt noch im Detail berücksichtigt wird. Finanziell könnte übrigens auch eine Rekrutierung von „deutschsprachigem Fachpersonal“ mit bereits vorhandener Arbeitserlaubnis / Visum vor Ort eine kostengünstige Alternative darstellen.
e) Wie wird am schnellsten der „Break-Even“ erreicht bzw. wo sollten die entsprechenden Schwerpunkte liegen? Gehen wir davon aus, dass die oben genannten Fragen hinreichend beantwortet wurden und der Schritt nach Singapur gewagt wird. Zu Beginn muss sich speziell ein Mittelständler oder Start-Up einen Namen machen und gut vernetzen. Schnell stellt man fest, dass die uns aus der Heimat bekannten Marken in Singapur niemandem etwas sagen bzw. komplett unbekannt sind! Hinzu kommt der mit größter Wahrscheinlichkeit bereits aktive Wettbewerb vor Ort, der sich über die Jahre mehr oder weniger erfolgreich einen Namen machen konnte und entsprechend gut vernetzt ist. Aus diesem Grunde ist es mehr als wichtig, dass ein Unternehmen vor Ort permanent und professionell präsentiert wird. Der „Repräsentant“ vor Ort – in den meisten Fällen handelt es sich aus Kostengründen um eine „Ein-Bis-Drei-Personen-Unternehmung“ – muss definitiv im Stadtstaat pro-aktiv unterwegs sein. Er sollte unbedingt an Business- und Networking-Veranstaltungen teilnehmen, Messen besuchen aber auch privat schnellstens Kontakte knüpfen. All dies kostet nicht viel, außer Zeit, die muss aber unbedingt investiert werden, schliesslich benötigt man außer Kunden auch Business-Partner oder Kontakte, die bereits längere Zeit vor Ort sind, über die entsprechende Erfahrung verfügen und mit Rat und Tat zur Seite stehen. Anders ausgedrückt, im neuen Büro am Raffles Place oder dem German Centre auf Kundschaft bzw. Erfolg zu warten ist der Anfang vom Ende.
f) Wie hoch ist mein Budget? Bei diesem Punkt sollte man sich auf keinen Fall der Versuchung hingeben und Deutschland oder auch andere europäische Länder als Vergleich zu nutzen. Was immer in Singapur in Rechnung gestellt wird, es wird letztendlich teurer sein – nicht selten sogar um ein Vielfaches! Auch der so oft genannte „Steuervorteil“ – in den ersten drei Jahren wird ein neues Unternehmen so gut wie keine Steuern in Singapur zahlen müssen – entwickelt seine Wirkung erst, wenn Geld verdient wird bzw. der „Break-Even“ erreicht wird – eine Binsenwahrheit, die leider immer wieder ignoriert wird. Viel wichtiger ist es, dass ein mittelständiges Unternehmen die Kosten von Beginn an gut im Griff hat. So ist es beispielsweise zu Beginn alles andere als notwendig bzw. für den Erfolg entscheidend, ein großes und repräsentatives Büro zu mieten, mehrere Mitarbeiter aus Europa zu versenden, teure Mitgliedschaften einzugehen, Business-Class zu fliegen etc. Im Gegenteil, erfolgreiche Unternehmen haben ihr Budget stets im Auge – am Anfang muss schnellstens Geld verdient werden, nichts anderes steht im Vordergrund!
g) „Worst-Case-Scenario“ – gibt es eine „Exit-Strategie“? Wie zu Beginn bereits erwähnt, ist ein nicht zu unterschätzender Teil der Unternehmen, die nach Singapur gehen, nicht erfolgreich bzw. zieht sich wieder zurück. Damit der erste Schritt nicht zu einem „unkalkulierbaren Abenteuer“ wird, sollte ein sogenanntes „Cap“ gesetzt werden. An der Börse machen es Profis übrigens genauso, man verkauft eine Aktie, wenn diese einen bestimmten Mindest-Preis erreicht bzw. sich nicht wie erwartet entwickelt – Gefühle oder Stolz bleiben außen vor. Sollte sich somit nach dem gesteckten Zeitrahmen kein Erfolg einstellen, macht es keinen Sinn „störrisch“ im Stadtstaat weiter Geld zu „verbrennen“ nur um u.a. negative Unternehmens-Nachrichten zu vermeiden.
Fazit: Singapur ist und bleibt eine sehr interessante Alternative für eine Auslandsexpansion (siehe auch Weltbank-Ranking) speziell für den Mittelstand und Start-Ups. Trotzdem oder erst recht deshalb, ist es mehr als wichtig eine sogenannte „Swot-Analyse“ durchzuführen und sich somit vorab ein Bild über Vor- und Nachteile einer solchen Auslandstrategie und die eigenen unternehmerischen Stärken und Schwächen vor Augen zu halten.
Lars Culmann – appario Pte Ltd